An Führungskräfte werden heute im Allgemeinen sehr hohe Anforderungen gestellt. Dass Sie eine gute fachliche Qualifikation mitbringen, ist dabei selbstverständlich. Denn wenn sie sich nicht hierdurch ausgezeichnet hätten, wären sie in der Regel nicht zur Führungskraft aufgestiegen. Was Führungskräfte aber ab diesem Zeitpunkt vor allem beherrschen müssen, ist ihre Mitarbeiter so zu führen, dass diese ihr volles Leistungspotential entfalten können und wollen.
WeiterlesenZahlreiche Studien zu diesem Thema zeigen aber das Gegenteil. Nach der im März 2018 veröffentlichten Studie des Gallup Marktforschungsunternehmens fühlen sich mittlerweile nur noch ca. 15 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland ihrem Unternehmen verbunden. Sie sind häufig frustriert und haben innerlich gekündigt. Dies steht einer vollen Entfaltung ihres Leistungspotentials entgegen. Ursache für die hohe Unzufriedenheit ist laut der neuen Studie neben dem Führungsverhalten der Vorgesetzten, auch wie „agil“ ein Unternehmen ist. Dies ist ein neuer Aspekt, der letztendlich auch mit Führung in Zusammenhang steht.Der Begriff „Agilität“ wird heute nicht nur inflationär verwandt, er wird auch sehr unterschiedlich interpretiert. Laut der Definition von Gallup spielen acht Kriterien eine besonders wichtige Rolle für agile Unternehmen: Wissensaustausch, Kooperationswille, Fehlerkultur, Geschwindigkeit bei der Entscheidungsfindung, Innovationsfähigkeit, Empowerment, Simplizität und die Förderung neuer Technologien. Von den Befragten sehen nur 4 Prozent mindestens sieben der Kriterien in ihrem Unternehmen als uneingeschränkt gegeben an. 22 Prozent können keine einzige der Komponenten wirklich erkennen. Auf mindestens fünf der acht genannten Kriterien haben Führungskräfte einen unmittelbaren Einfluss innerhalb ihrer Teams: Wissensaustausch, Kooperation, Fehlerkultur, Simplizität, Empowerment.
Der volkswirtschaftliche Schaden, der aufgrund des mangelnden „Engagements“ der Mitarbeiter jährlich entsteht, geht laut Gallup in die Milliarden. Dieses Problem scheinen die Unternehmen nicht in den Griff zu bekommen. Seit Jahren veröffentlicht Gallup die Engagement Studie und die veröffentlichten Zahlen werden eher schlechter als besser.
Was sind also die Gründe dafür, dass die Mehrzahl der Unternehmen nicht in der Lage ist, die Motivation ihrer Mitarbeiter zu erhalten, geschweige denn zu steigern. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter mit einer Grundmotivation, meistens sogar mit einer überdurchschnittlichen Motivation, bei einem Arbeitgeber starten. Außerdem haben sie in der Regel ein Eigeninteresse daran, sich an ihrem Arbeitsplatz wohlzufühlen und einen positiven Beitrag zum Unternehmenserfolg beizutragen.Führung braucht demnach nicht zu motivieren. Führung sollte sich darauf konzentrieren, die eigenen Mitarbeiter nicht zu demotivieren. Aber wie?
Lange herrschte die Meinung vor, dass Führungsfähigkeit eine „angeborene“ Eigenschaft sei. Diese Annahme lässt sich historisch begründen und hat sicherlich auch bis in die sechziger Jahre mehr oder weniger gut funktioniert. Wenn man sich aber die gesellschaftliche Entwicklung seit der „68er Generation“ anschaut wird deutlich, wie stark sich die Gesellschaft und ihre Normen verändert haben. Anhand der Familie, als kleinstes „hierarchisch organisiertes System“ in einer Gesellschaft, wird erkennbar, wie sich die Strukturen, Ansprüche und das Rollenverständnis in unserer Gesellschaft gewandelt haben. Entsprechend diesen Veränderungen wurden in den letzten 40 Jahren auch die unterschiedlichsten Führungsstile, von autoritären über laissez faire bis zum adaptiven Führungsstil, entwickelt. Schaut man hier genauer hin, kann man eine Parallele zu den sich in dieser Zeit veränderten Erziehungsstilen herstellen. Das Fazit hieraus ist, dass Führungsmodelle immer den jeweiligen gesellschaftlichen Trends angepasst wurden. Die Schnelllebigkeit unserer Zeit hat uns aber gelehrt, dass Führung ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess ist, der immer wieder an neue Herausforderungen angepasst werden muss.
Daneben haben sich in dieser Zeit die Märkte komplett verändert. Veränderung ist für Unternehmen zu einem ständigen Begleiter und zu einer dauerhaften Herausforderung geworden.
Die Gesellschaftlichen Megatrends sind hinlänglich bekannt. Zu ihnen gehören der Demographische Wandel, Globalisierung, Individualisierung, Strukturwandel und die Digitalisierung. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sowie die Veränderungen von Arbeitsplätzen und Berufen können wir meiner Meinung noch gar nicht genau vorhersehen.
Was mit Blick auf die Megatrends deutlich wird ist, dass Veränderungen im großen Stil ein hohes Maß an Verunsicherung für die Beteiligten mit sich bringt. Gleichzeitig führt der deutlich ausgeprägtere Individualismus der Menschen dazu, dass die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz mitgestalten möchten, in Entscheidungsprozesse miteinbezogen, über wichtige Veränderungen frühzeitig informiert und auf Augenhöhe behandelt werden wollen. Führung kann nicht mehr mit einem „One size fits all“-Modell erlernt werden. Führung verlangt einen individuellen Ansatz, der dem Einzelnen gerecht wird. Dem entgegen steht, dass die Zeitressource aller, aber vor allem der Führungskräfte, immer weiter verknappt wird, durch zahlreiche Meetings und Dauererreichbarkeit über Email und Smartphone.
Wie also kann dieses Dilemma gelöst werde? Derzeit sind die hierfür in den Ring geworfene Schlagwörter: agil führen, agiles Unternehmen, agile Teams, Selbstorganisation und Eigenverantwortung. Was genau steckt dahinter? Die Unternehmen möchten, dass ihre Reaktionsgeschwindigkeit erhöht wird, Führungskräfte möchten, dass ihre Teams selbständig arbeiten, damit sie selbst mehr entlastet werden, Teams wünschen sich mehr Partizipation, der Mitarbeiter und Mensch Ansprache auf Augenhöhe und Selbstwirksamkeit. Verbirgt sich dies alles hinter dem Begriff Agilität? Ich denke ja und nein. Das hängt ganz davon ab, wie Agilität definiert wird. Gablers Wirtschaftslexikon hat folgende Definition:
Agilität ist die Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen und Prozessen. Man reagiert flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen. Man ist, etwa in Bezug auf Veränderungen, nicht nur reaktiv, sondern auch proaktiv.
Diese Definition beschreibt ein „Muss“ für zukünftig erfolgreiche Unternehmen. Um den Bogen zurück zur Gallup Studie zu schlagen, erfordert ein solcher Wandel aber ganz andere Voraussetzungen, als sie momentan in der Mehrzahl der Unternehmen vorhanden sind. Um diese Veränderung tatsächlich in einem Unternehmen erfolgreich hinzubekommen, müssen zu nächste viele alte Denk- und Verhaltensmuster aufgebrochen werde. Erst wenn das geschieht, ist der Weg für die New Work tatsächlich geebnet.